
Bei der Gründung des CGC 1997
Das Cornelia Goethe Centrum ist eine Einrichtung der Goethe-Universität Frankfurt, die Raum bietet für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit feministischen Fragestellungen. Es wurde 1997 unter dem Namen „Zentrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse“ gegründet und hat am 7. Dezember 2000 anlässlich des 250. Geburtstages von Cornelia Goethe den neuen Namen Cornelia Goethe Centrum erhalten. Mit dieser Namensgebung hat Johann Wolfgangs jüngere Schwester, die wegen ihres Geschlechts ihr schriftstellerisches Talent nicht in gleicher Weise entwickeln konnte und deshalb heute kaum bekannt ist, endlich einen gebührenden Platz in der Wissenschaft erhalten.
Seit nun mehr als 20 Jahren entwickelte sich das Cornelia Goethe Centrum zu einem lebendigen Ort innovativen Studierens und inter- und transdisziplinärer Kooperationen, die mit einem umfangreichen frauen- und genderspezifischen Lehrprogramm Studierenden und Doktorand*innen Wege in die Wissenschaften ebnen.
Dazu gehören:
- ein Nebenfachstudiengang Gender Studies, der interdisziplinär und international ausgerichtet ist,
- ein interdisziplinäres Zertifikatsprogramm Frauenstudien/Gender Studies, das studienbegleitend für vier Semester auf Master-Niveau angeboten wird,
- die Veranstaltung internationaler Workshops und Konferenzen, regelmäßige Colloquien und öffentliche Vortragsreihen z.B. im WS 2020/21 unter dem Titel „Intersektionalität im Kreuzfeuer?“
- die besondere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch Doktorand*innenkollegs wie die Einrichtung eines von der DFG geförderten Graduiertenkollegs „Öffentlichkeiten und Geschlechterverhältnisse – Dimensionen von Erfahrung“ (1999-2008) oder einer Graduierten-Akademie (GRADE-Centrum) zur Förderung von Doktorand*innen und Postdoktorand*innen.
- Die jährliche Verleihung eines Cornelia Goethe-Preises für eine herausragende Dissertation oder Habilitation an der Goethe-Universität durch den Förderkreis des CGC im Rahmen des Cornelia Goethe Salons jeweils um Cornelia Goethes Geburtstag am 7. Dezember.
Heute bietet das Cornelia Goethe Centrum an der Goethe Universität Frankfurt rd. 50 Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen aus 10 Fachbereichen sowie ebenso vielen assoziierten Mitgliedern – inzwischen mehreren Generationen von Studierenden – den intellektuellen Raum für wissenschaftlichen Austausch, berufliche Qualifizierung und geschlechterpolitische Debatten. Das CGC verbindet die Lehre und besondere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit einem interdisziplinären und internationalen Forschungsprogramm.
Eine Frankfurter Besonderheit besteht darin, dass Geschlechterforschung hier immer in enger Verknüpfung mit einem Hauptfach in einer weiteren Fachdisziplin studiert wird. Damit werden geschlechter-sensible Fragestellungen und Kompetenzen in die anderen Disziplinen getragen und können auch hier einen Perspektivenwechsel einleiten. Beteiligt sind neben den Gesellschaftswissenschaften die Fächer Rechtswissenschaft, Erziehungswissenschaften, Psychologie und Sportwissenschaften, Evangelische Theologie, Philosophie und Geschichtswissenschaft, Sprach- und Kulturwissenschaften sowie Neuere Philologien.

Dokumentation der
Namensgebung
Daneben ermöglicht das CGC die Initiierung und Durchführung von Forschungsprojekten, die ebenso interdisziplinär wie international, zunehmend auch intersektional ausgerichtet sind. Ausgehend von der grundsätzlichen Frage nach Geschlechtergerechtigkeit befassen sich zahlreiche Forschungsprojekte mit der Untersuchung der Bedingungen und Bedeutungen von Geschlecht in allen Lebensbereichen, in Geschichte und Gesellschaft, in Kultur und Wissenschaft. Es geht um Themen wie geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und Gender Pay Gap, um Diskriminierung und um Gerechtigkeit um unterschiedliche Lebensformen und Lebensstile sowie um die Geschlechterbilder in der Literatur, in Medien und Politik und deren Einfluss auf den Alltag. Geschlechterforschung/ Gender Studies und die grundsätzliche Erweiterung von Geschlechterwissen sind somit ein inter-/bzw. transdisziplinär und international ausgerichtetes Forschungsfeld, das ‚Geschlecht‘ als kritische Kategorie der Analyse von Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft versteht (vgl. Semesterprogramm: „Das Cornelia Goethe Centrum stellt sich vor“, 2019/20).
Der Förderkreis des CGC
Mit dem Förderkreis des CGC unterstützen Bürger*innen der Stadt engagiert die innovative Studien- und Forschungseinrichtung. Gleichzeitig Mit dem Förderkreis des CGC unterstützen Bürger*innen der Stadt engagiert die innovative Studien- und Forschungseinrichtung. Gleichzeitig haben die Wissenschaftler*innen des Centrums Gelegenheit, durch Vorträge und regelmäßig Colloquien ihre Erkenntnisse und Studien, die Erweiterung von Geschlechterwissen in die Stadtgesellschaft zu vermitteln. Er wirkte im Jahr 2000 stichwortgebend bei der Namensgebung des Zentrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse in Cornelia Goethe Centrum mit. Der Förderkreis lobt seit 2002 jährlich zum Andenken an die Namenspatronin Cornelia Goethe einen Wissenschaftspreis aus, mit dem eine herausragende wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet wird, die an der Frankfurter Goethe-Universität entstanden ist und geschlechter-sensible Fragestellungen mit interdisziplinäre Denkansätzen zu verbinden versteht.
Zur Namensgebung:

Namensgebung am 6.12.2000, v.l.n.r.: Gisela Brackert, Ute Gerhard, Brita Rang (verdeckt), Andrea von Bethmann, Susanne Opfermann, Ute Sacksofsy (Foto: Ursula Hillmann)
Was lag an der Johann Wolfgang Goethe-Universität eigentlich näher – so könnte man nachträglich fragen – als zur Bezeichnung eines Zentrums für Geschlechterstudien den Namen der Schwester des ‚großen Bruders’ zu wählen. Gewiss, Cornelia Goethe ist keine Ikone oder Heroin ebenso wenig eine Identifikationsfigur für die Studentinnen von heute. Doch die begabte und bis zu ihrem 16. Lebensjahr ebenso (aus)gebildete Cornelia Goethe steht beispielhaft dafür, dass Geschlecht in der Moderne eine Rolle spielte und spielt (vgl. Ulrike Prokop 1985; 1991). Im Vergleich der Lebensläufe von Johann Wolfgang und Cornelia werden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Geschlechterverhältnis markiert, die keineswegs nur historische sind.
Die geschwisterliche Beziehung ist noch aus einem anderen Grund beispielhaft. Brüderlichkeit bezeichnet schließlich aus demokratietheoretischer Sicht zusammen mit Gleichheit und Freiheit das Programm rechtsstaatlicher Verfassung und neuzeitlicher Demokratie. Brüderlichkeit, verstanden als Solidarität, auf die die Gesellschaft angewiesen ist, schien unverzichtbar bei der Beseitigung traditioneller Hierarchien und patriarchalischer Privilegien. Sie blieb dennoch bis heute in vielfacher Hinsicht uneingelöst, insbesondere weil die ‚Brüder‘ in ihrer politischen Praxis die Schwestern entweder ‚vergaßen’ (Louise Otto), ihnen das Genie absprachen (z.B. Felix über Fanny Mendelssohn) oder auf ihre Kosten lebten. „Dienen lerne beizeiten das Weib, … die Schwester dem Bruder …“ (J.W. Goethe). Feministische Theoretikerinnen haben inzwischen die neuzeitlichen Lehren vom Gesellschaftsvertrag als Vertrag nur unter Brüdern, die Schwester ausschloss, kritisiert. Dabei bleibt Brüderlichkeit, frei und gleich geübt, die sich im öffentlichen Raum wie in den privaten Beziehungen ständig neu erweisen will, auf Schwesterlichkeit angewiesen.
Die Erinnerung an die Schwester des großen Bruders ist daher als Mahnung und Aufforderung zu verstehen, die Geschlechterperspektive auch in die Wissenschaften und in die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hineinzutragen und als notwendiges Korrektiv der Analyse zu behandeln. Aufklärung und Kritik sowie das Prinzip der Geschwisterlichkeit wissenschaftlich einzuüben und zu praktizieren, beschreibt die Zielsetzung, für die sich das CGC als interdisziplinäre Einrichtung für Forschung und Lehre über seine Bedeutung im ‚Elfenbeinturm’ hinaus in seinem Verhältnis zur Gesellschaft und zur Stadt Frankfurt einsetzen will.